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Schule

Umgang mit rechten und rassistischen Anfeindungen auf Klassenfahrten

Eine gute Vorbereitung und klare Absprachen erhöhen den Schutz aller Teilnehmenden.

Foto: Adobe Stock

Eigentlich sollten Klassenfahrten, Schulausflüge oder schulische Ferienfahrten sowohl für Schüler*innen als auch für die begleitenden Pädagog*innen positive Höhepunkte im Schuljahr darstellen, an die sich alle gern erinnern. Das ist aber leider nicht immer der Fall. Viele junge Menschen of Color machen schon früh Erfahrungen mit Rassismus in verschiedenen Kontexten, auch in der Schule. Rechtsextreme, rassistische, LGBTIQ*-feindliche, antisemitische, menschenverachtende und antidemokratische Einstellungen sind in der gesamten Gesellschaft vorhanden.

Schulisch organisierte Fahrten können Schüler*innen und Pädagog*innen vor besondere Herausforderungen und Gefahren stellen. Sie begeben sich gemeinsam an neue, weniger vertraute und eventuell weniger geschützte Orte. Deswegen ist es notwendig, sich bereits im Vorfeld Gedanken zu machen.

Für Pädagog*innen ist es wichtig, sich mögliche Diskriminierungserfahrungen der Schüler*innen zu vergegenwärtigen. Über Diskriminierungserfahrungen selbst zu sprechen, ist für Betroffene nicht so einfach. Dennoch sollte im Schulkontext versucht werden, möglichst geschützte Räume für die Perspektiven und Erfahrungen der Schüler*innen zu schaffen. Hier kann beispielsweise besprochen werden, welche Situationen als bedrohlich wahrgenommen werden und welche Unterstützung als hilfreich und notwendig erachtet wird. Ein Austausch über Diskriminierung im Klassenverband kann im Idealfall die Betroffenen stärken und auch das Problembewusstsein bei denen fördern, die vielleicht selbst keine oder kaum Diskriminierung erleben.

 

Perspektiven der Schüler*innen wahrnehmen

 

Mit dem Wissen um die Diskriminierungserfahrungen von vielen jungen Menschen sollte der Zielort der Klassenfahrt mit Bedacht ausgewählt werden. Auch wenn es natürlich grundsätzlich wichtig ist, dass wir uns durch die Präsenz von rechten, rassistischen, antidemokratischen Einstellungen nicht die Räume nehmen lassen sollten, hat der Schutzaspekt Vorrang.

Bei der Wahl der Unterkunft können ein paar Aspekte berücksichtigt werden. Es kann zum Beispiel gefragt werden, ob die Unterkunft Erfahrungen mit divers zusammengesetzten Jugendgruppen hat, und es können Wünsche in Bezug auf einen diskriminierungssensiblen Umgang mit den Schüler*innen während des Aufenthalts formuliert werden.

Auch die Lage ist nicht unwesentlich. Liegt die Unterkunft im Ortszentrum, in einer belebten Gegend, oder befindet sie sich außerhalb? Welche Anbindung an den ÖPNV gibt es, und was befindet sich in der unmittelbaren Umgebung der Unterkunft? Bei der An- und Abreise oder bei Ausflügen in die Umgebung können beispielsweise Fußballspiele und Heimatfeste ein Risiko darstellen.

Grundsätzlich liegt die Verantwortung für die Aufsicht und Sicherheit bei der Fahrtenleitung und den begleitenden pädagogischen Fachkräften. Dazu gehört es, klare Absprachen, beispielsweise zu verlässlichen Kommunikationswegen zwischen Schüler*innen und Lehrkräften, zu treffen sowie zum Vorgehen in Situationen, in denen Schüler*innen zeitweise ohne pädagogische Begleitung unterwegs sind.

 

Absprachen für den Notfall treffen

 

Um im Notfall handlungssicher agieren zu können, ist es für Pädagog*innen entscheidend, die Abläufe und Zuständigkeiten zu kennen. Die Notfallpläne für Berliner Schulen enthalten Leitfäden zu einer Vielzahl unterschiedlicher Gewaltsituationen, die in der Schule und ihrer Umgebung vorkommen können. Für die akute Krisenbewältigung ist natürlich die Lehrkraft oder sozialpädagogische Fachkraft vor Ort zuständig und für weitergehende Schritte je nach Situation in der Regel die Schulleitung. Für jede Schule beziehungsweise in jedem Bezirk gibt es bei der Schulpsychologie ein Notfall- und Krisenteam mit einer Notfallnummer, die immer zu erreichen ist. Diese Nummer sollte die Fahrtenleitung am besten vor der Fahrt in Erfahrung bringen und mitführen.

Pädagog*innen können in Auseinandersetzungen auf ihre Erfahrungen und ihr Wissen über den Umgang mit Konflikten, Mobbing und Gewalt zurückgreifen. Allerdings sind beim Umgang mit rechtsextremen, rassistischen, LGBTIQ*feindlichen und antisemitischen Bedrohungen und Gewalttaten ein paar Besonderheiten zu beachten. Solche Vorfälle müssen immer im gesellschaftlichen Kontext gesehen werden. Einerseits sind die Taten immer auch Botschaftstaten: Menschen soll vermittelt werden, dass sie nicht Teil der Gesellschaft, nicht gleichwertig seien und dass sie sich in gewissen Räumen nicht gefahrlos bewegen können. Anderseits wird an Merkmale angeknüpft, die einen wesentlichen Teil der Persönlichkeit betreffen, der schwer oder gar nicht veränderbar ist. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu vielen anderen Formen von Angriffen, Beleidigungen und Mobbing.

 

Bei Grenzüberschreitungen sofort intervenieren

 

Kommt es auf der Klassenfahrt zu Anfeindungen, bedrohlichen Situationen oder gar einem Angriff durch externe Personen, ist je nach Schweregrad zu verfahren. Auftretende Störungen haben immer Vorrang vor der Weiterführung des vorgesehenen regulären Programmablaufs und müssen bearbeitet werden. Pädagogische Fachkräfte müssen ihre Schüler*innen schützen und haben eine wichtige Vorbildfunktion. Bei Anfeindungen und Beleidigungen ist grundsätzlich deutlich zu machen, dass sie eine Grenzüberschreitung darstellen und nicht geduldet werden. Für die Intervention ist ein selbstsicheres, bestimmtes und ruhiges Auftreten hilfreich. Gut sind kurze und eindeutige Aussagen oder Aufforderungen. Dazu gehört auch, einen Umgang mit der eigenen Nervosität, Überforderung oder auch Angst zu finden.

Die Aufmerksamkeit sollte sich nach der ersten Intervention auf die direkt betroffenen Schüler*innen richten. Es ist wichtig, parteiisch an ihrer Seite zu stehen und proaktiv Unterstützung anzubieten sowie einen Raum für die Wahrnehmungen, Einschätzungen und Bedürfnisse der Schüler*innen zu schaffen.

Im Anschluss sollte eine schnelle Information aller Anwesenden sowie der Schulleitung und der Erziehungsberechtigten über die Sachlage sichergestellt werden. Hierbei sollte das Notfall- und Krisenteam der Schulpsychologie als wichtige Stütze genutzt werden, damit die Kommunikation bestmöglich verläuft.

In bestimmten Situationen ist es sinnvoll, die Polizei hinzuzuziehen, um Hilfe zu bekommen oder eine Anzeige zu erstatten. Die Polizei ist verpflichtet, eine Anzeige aufzunehmen und die entsprechende Vorgangsnummer mitzuteilen. Niemand ist verpflichtet, vor der Polizei eine Aussage zu machen. Eine Aussage kann auch zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden. In jedem Fall sollte ein Gedächtnisprotokoll zeitnah nach dem Vorfall angefertigt werden. Der Polizei muss nicht die Privatanschrift der Involvierten, sondern lediglich eine ladungsfähige Anschrift mitgeteilt werden. Dies kann auch die der Schule sein. Gerade nach einer Auseinandersetzung mit Rechtsextremen ist es ratsam, auf den Schutz privater Daten zu achten. Es sollte auch bedacht werden, dass Schüler*innen of Color eventuell auch schon Diskriminierung beziehungsweise Gewalt vonseiten der Polizei erlebt haben, was möglicherweise zu erhöhter Angst bis hin zu Panik führen kann. Daher sind ein sicherheitsgebender Zuspruch und eine Begleitung für diese Schüler*innen besonders wichtig.

Sollte es auf der Klassenfahrt zu einem Vorfall gekommen sein, ist eine gemeinsame Nachbereitung ebenso wichtig, wie es die gute Vorbereitung gewesen ist. Für die Betroffenen sollte eine notfallpsychologische Versorgung über die Schulpsychologie erfolgen. Auch eine längerfristige Begleitung kann erwogen werden. Gemeinsam mit den Schulpsycholog*innen könnte eine Nachbesprechung im Klassenverband und mit den Erziehungsberechtigten stattfinden. Zusätzlich können auch Opferberatungsstellen, wie ReachOut und andere, die sich insbesondere mit rassistischen Anfeindungen beziehungsweise rechter und antisemitischer Gewalt auskennen, hinzugezogen werden. 

 

Dieser Text ist die leicht veränderte und deutlich gekürzte Variante eines Infoblattes der GEW BERLIN und der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR). Die komplette Version kann hier heruntergeladen werden.

Kontakt
Klaudia Kachelrieß
Referentin Vorstandsbereich Schule
Telefon:  030 / 219993-57

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